Von Algenzucht über Wasserstoff-Speicherung und -Transport bis zu Bildungskonzepten
Festo präsentiert auf der Hannover Messe mit dem Exponat „BionicHydrogenBattery“ ein einzigartiges Konzept für die einfache Speicherung und den sicheren Transport von Wasserstoff mit Hilfe von Bakterien. Daneben zeigt das Unternehmen, wie mit einer Vielzahl an Komponenten und Lösungen aus dem Festo Produktportfolio industrielle Bioprozesse langfristig effizient betrieben werden können. Zudem engagiert sich Festo in der Biologisierung als Lernfeld: mit modularen Lernsystemen, einer IHK-Zusatzqualifikation und der Entwicklung eines Studiengangs „Biomechatronik“.
Mit seiner Automatisierungstechnik möchte Festo klimaschonende Lösungen liefern und dadurch zur Verbesserung der Lebensqualität heutiger und kommender Generationen beitragen. Daher beschäftigt sich das Unternehmen intensiv damit, wie Prozesse mit geringerem Materialverbrauch und mehr Recycling ablaufen und welche alternativen Materialien zum Einsatz kommen können. Besonders vielversprechend ist es, die Biologie als Aufgabenfeld für die Automatisierung zu erschließen. So wird die kleinste Fabrik der Zukunft in einer biologischen Zelle zu finden sein.
Mit Automatisierungstechnik lassen sich biologische Prozesse, die in der Natur viel Zeit benötigen, beschleunigen, skalieren und damit wirtschaftlich nutzbar machen. Durch das Zusammenspiel von langjähriger Erfahrung und hoch entwickelter Technologie nimmt Festo eine Leitfunktion ein und zeigt, was mit Automatisierung sowie ausgefeilter Steuerungs- und Regelungstechnik im Bereich der Biologisierung möglich ist. Nach den Bioreaktoren „PhotoBionicCell“ (2022) und „BionicCellFactory“ (2023), bei denen es um die Kultivierung von Algen ging, beschäftigt sich Festo mit seinem aktuellen Projekt „BionicHydrogenBattery“ mit einem der Energieträger von morgen: Wasserstoff.
BionicHydrogenBattery – sichere Speicherung und Transport von Wasserstoff mit Hilfe von Bakterien
Wasserstoff kann nach aktuellem Stand nur mit Verfahren sicher und platzsparend gespeichert und transportiert werden, die extrem hohe oder niedrige Temperaturen und hohe Drücke von 150-700 bar benötigen. Dafür ist sehr viel Energie notwendig. Mit dem vollautomatisierten biotechnologischen System BionicHydrogenBattery zeigt Festo einen völlig neuen Lösungsansatz: Der volatile Stoff wird mit Hilfe von Bakterien risikoarm und energieeffizient in Ameisensäure umgewandelt – und das bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen um 65°C und geringem Druck von 1,5 bar. Die Säure lässt sich problemlos speichern und transportieren. Am Zielort kehren die gleichen Bakterien den Prozess um und zerlegen die Säure wieder zu CO2 und Wasserstoff. Während letzterer zur Stromerzeugung verwendet werden kann, könnte das hoch reine CO2 weiter verwertet und etwa in der Getränkeindustrie eingesetzt werden. Im Exponat wird es im Sinne einer Kreislaufwirtschaft zurückgeführt und erneut für die Produktion der Ameisensäure genutzt.
Kern des biologischen Prozesses ist das Bakterium Thermoanaerobacter kivui (T. kivui). Diese Bakterien verfügen über ein besonderes Enzym, das sie in die Lage versetzt, Wasserstoff und CO2 zu Ameisensäure umzuwandeln. Entdeckt und grundlegend erforscht wurde dieser Prozess vom Team um Prof. Dr. Volker Müller, Leiter der Abteilung „Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik“ an der Goethe-Universität Frankfurt, mit dem das Team von Festo in dem Projekt eng zusammenarbeitet. „Wasserstoff ist einer der Energieträger der Zukunft, der unter anderem für die Erzeugung von sauberem Strom eine wichtige Rolle spielen wird. Mit unserem Konzept leisten wir einen Beitrag, dieses Potenzial wirtschaftlich nutzbar zu machen“, so Dr. Michael Sinsbeck, Leiter Bionic Projects bei Festo.
BioTech Automation: Reaktoren für Algen und Bakterien
Bioprozesse werden immer wichtiger für die Industrie, da sie nachhaltige Alternativen zu herkömmlich hergestellten Produkten bieten. „Neben Algen können wir auch viele andere Organismen verwenden, die aus nachwachsenden Ressourcen zum Beispiel Lebensmittel, Biotreibstoff oder Biokunststoffe herstellen“, sagt Dr. Elias Knubben, Leiter Forschung und Innovation bei Festo. Festo präsentiert daher auf der Hannover Messe eine Übersicht der bereits erhältlichen Komponenten und Lösungen anhand ausgewählter Kultivierungsprozesse, die in zwei Bioreaktoren dargestellt werden: einem Algen-Reaktor am Beispiel von Chlorella vulgaris sowie einem Edelstahl-Reaktor für die Kultivierung von Mikroorganismen wie E. coli.
„Mit unserem Produktportfolio können wir schon jetzt an vielen Stellen den wachsenden Markt der Biologisierung bedienen, insbesondere bei der Begasung, beim Handling von Flüssigkeiten sowie bei der ganzheitlichen Automatisierung von Bioreaktoren“, sagt Ralf Kapfhamer, Advanced Development Biotech and Process Automation. Ein zentrales Produkt hierbei ist die neue Ventilinsel VTUX, die eine Ansteuerung der pneumatischen Ventile an Bioreaktoren ermöglicht.
Neben einzelnen Komponenten bietet Festo auch maßgeschneiderte Systemlösungen für Bioreaktoren an. Dabei werden aus ausgewählten Komponenten angepasste Automatisierungslösungen zum Beispiel in Form von kompletten Schaltschränken entwickelt. Zusätzlich kann kundenspezifische Software von der Steuerung bis zur Cloud erstellt werden. Durch die nahtlose Integration der Systeme und die Möglichkeit der Datenanalyse in Echtzeit gelingt eine effiziente und transparente Prozesssteuerung.
Biologisierung als Lernfeld: neues Ausbildungsmodul und Studiengang
Für den Betrieb eines Bioprozesses wird Wissen aus den Bereichen Elektrotechnik, Mechanik, Informatik und Biotechnologie benötigt. Ein neues Berufsbild entsteht: der Biomechatroniker. In einem modularen Lernkonzept, dem Lern-Reaktor, wird dieses Wissen mittels kombinierter Hard- und Software vermittelt.
Den neuen Herausforderungen im Bereich Biologisierung begegnet Festo nicht nur von technischer Seite, sondern hat als Marktführer in der technischen Aus- und Weiterbildung auch die künftig notwendigen Qualifikationen im Blick. Im Bereich der eigenen Berufsausbildung hat Festo deshalb gemeinsam mit der IHK Region Stuttgart die Zusatzqualifikation „Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung“ auf den Weg gebracht. Sie richtet sich an viele Ausbildungsberufe. Insbesondere für die gewerblich-technischen und kaufmännischen Auszubildenden wird es ein Modul „Automatisierung der Biologischen Transformation“ geben. Festo wird Teile davon in seinem Ausbildungszentrum abdecken und mit eigenen Auszubildenden an den Start gehen. Zudem entwickelt Festo ein modulares Lernkonzept für angehende Biomechatroniker, das für die Wissensvermittlung vor allem technischer Grundlagen genutzt werden kann.
Auch in der Hochschulbildung gibt es konkrete Pläne: „Wir bilden die Fachkräfte der Zukunft aus. Daher entwerfen wir derzeit mit der Hochschule Reutlingen einen neuen Studiengang Biomechatronik, in dem biologische und technische Inhalte mit dem Fokus auf die Zelle als kleinste Fabrik der Welt verknüpft werden. Die Studierenden werden bei uns vor allem die technischen Fähigkeiten lernen können“, sagt Stefan Dietl, Leiter der Ausbildung bei Festo. Hier soll der neue Lern-Reaktor ebenfalls Anwendung finden.