Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Göttingen schlägt Definitionsansatz mit KI vor
Was ist eine Art? Vom griechischen Philosophen Aristoteles über Charles Darwin bis heute haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dieser grundlegenden Frage der Biologie beschäftigt. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist sie jedoch immer noch weitgehend ungelöst. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena, der Technischen Universität Ilmenau und der Universität Göttingen haben nun einen neuen Ansatz für das Auffinden und die Abgrenzung von Arten mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) vorgestellt. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Trends in Ecology and Evolution erschienen.
Das Forschungsteam schlägt eine moderne integrative Klassifizierung von Arten vor, die die Entdeckung genetischer Einheiten mit der Fusion automatisch extrahierter Informationen wie Morphologie, Physiologie, Ökologie oder Verhalten verbindet, um Arten als natürliche Einheiten zu beschreiben. Dieser Prozess wird als Species Delimitation bezeichnet. „Auf diese Weise kann künstliche Intelligenz dazu beitragen, die Entschlüsselung der biologischen Vielfalt in einem bisher nicht gekannten Ausmaß zu beschleunigen“, so Erstautor Dr. Kevin Karbstein, der an der Universität Göttingen promoviert wurde und nun am Max-Planck-Institut für Biogeochemie und der TU Ilmenau tätig ist.
„Das ist notwendig, weil neue genomische und integrative Ansätze zeigen, dass traditionell beschriebene Arten keine natürlichen Einheiten sein können“, sagt Karbstein. Dies gilt insbesondere für Tier-, Pflanzen- und Pilzgruppen, die durch komplexe evolutionäre Prozesse wie Hybridisierung, Polyploidie oder Asexualität gekennzeichnet sind. „Mittlerweile wissen wir, dass Artbildung ein sehr komplexer Prozess sein kann“, ergänzt Dr. Natascha Wagner von der Universität Göttingen. „Diese netzartige Evolution wird aber in aktuellen Konzepten kaum berücksichtigt.“
In der Studie machen die Forschenden die Herausforderungen der integrativen Taxonomie deutlich, basierend unter anderem auf unterschiedlichen Datensätzen der Genomik, Morphologie und Ökologie. „Zurzeit gibt es über 30 existierende Artkonzepte. Es herrscht zudem ein Mangel an universellen Merkmalen und Markern sowie geeigneter Analysewerkzeuge für große Datensätze, um Arten abzugrenzen und zu beschreiben“, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Darüber hinaus könnten komplexe Evolutionsprozesse nur bedingt abgebildet werden, und die Datenintegration zur Artbeschreibung hinge stark von den jeweiligen Autorinnen oder Autoren ab.
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