Platooning passt Nahverkehr mit automatisierten Bussen flexibel der Nachfrage an – Umstellung auf Elektrobetrieb vereinfacht
Automatisiertes Fahren halten Expertinnen und Experten im öffentlichen Nahverkehr für besonders sinnvoll – ökologisch wie ökonomisch. Der vielerorts beklagte Mangel an Fahrerinnen und Fahrern verstärkt diesen Trend noch zusätzlich. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickeln deshalb gemeinsam mit den Stadtwerken München und dem Fahrzeughersteller EBUSCO elektrische Busse, die automatisiert einem Lead-Fahrzeug folgen für den Linienverkehr in der Isar-Metropole. Erste Prototypen dieses „Platooning“ genannten Konzepts fahren bereits.
Die Forschenden stellen das Projekt vom 17. bis 21. April bei der Hannover Messe 2023 vor – am Stand des KIT im FutureHub (Halle 2, Stand B45).
Digitale Pressemappe des KIT zur Hannover Messe.
Video „Der Stadtbus der Zukunft fährt in Kolonne“
„Herkömmliche Gelenkbusse oder solche mit Personenanhänger brauchen zu viel Energie und sind nicht flexibel genug einsetzbar, wenn es darum geht, auf stark schwankende Fahrgastzahlen reagieren zu können“, sagt Professor Eric Sax, Leiter des Instituts für Technik der Informationsverarbeitung (ITIV) am KIT. Die Lösung heißt „Platooning“. Dabei fahren mehrere Fahrzeuge mittels elektronischer Steuerung in engem Abstand hintereinander. Diese Kolonnen können beliebig an den jeweiligen Bedarf angepasst werden. „Beim Platooning muss nur das vorderste Fahrzeug durch eine Fahrerin oder einen Fahrer gesteuert werden, alle weiteren folgen automatisiert“, erläutert Sax.
Preiswerte und effiziente Elektrifizierung des Busverkehrs
Verbunden sind die Einheiten der Formation dabei nicht physisch, sondern nur informationstechnisch. Die „elektronische Deichsel“ kann leicht entkoppelt und die Bus-Platoons dadurch umstandslos geteilt und wieder verbunden werden. „Durch Platooning kann man den Busbetrieb optimal an den Bedarf je nach Tageszeit oder Linie anpassen – besonders im städtischen Umland“, sagt Nicole Kechler vom ITIV. Neben der Flexibilität gibt es weitere Vorteile für die städtischen Busbetriebe: „Einheitsgrößen und Standards für die Fahrzeuge machen Entwicklung, Herstellung und Betrieb der Busse effizienter und somit den gesamten Prozess der Elektrifizierung des Stadtbusverkehrs viel preiswerter. Außerdem erlaubt ein elektrisches Fahrzeug eine deutlich einfachere Umsetzung der automatisierten Lenkung, Verzögerung und Beschleunigung als ein vergleichbares Dieselfahrzeug“, ergänzt Sax.
Für Sicherheit sorgt eine Vielzahl von Sensoren
In München sollen alle Busse durch elektrisch angetriebene Fahrzeuge ersetzt werden. Bis dahin sind noch technische Herausforderungen zu lösen: „Etwa darf der Abstand zwischen den Bussen nicht zu groß sein, damit keine anderen Fahrzeuge dazwischen einscheren. Und das System muss erkennen, wenn Fußgängerinnen oder Fußgänger zwischen die Busse treten“, sagt Sax. „Ebenso müssen wir den Einfluss von Eis, Staub und Schnee beachten.“ Für Sicherheit sorgen Sensoren: Lidar-, Radar- und Kamerasysteme überwachen Abstand und Zwischenraum. Fahrzeugdaten wie Position, Lenkwinkel und Geschwindigkeit werden per Funk an das folgende Fahrzeug übertragen. „So wird beispielsweise ein Bremsmanöver des vorderen Busses vom Folgefahrzeug einmal durch ein durch die Luft übertragenes Signal und zusätzlich durch das Aufleuchten des Bremslichtes erkannt.“
Forschende wollen Bus-Platoons bis Mitte des Jahrzehnts auf die Straße bringen
„Wir haben zunächst die Konzepte für das Platooning von Stadtbussen und anschließend die entsprechenden Algorithmen für die Automatisierung entwickelt“, sagt Kechler. Diese werden in einem Bus-Prototyp verwendet, den die Forschenden des KIT gemeinsam mit den SWM und dem niederländischen Elektrobushersteller EBUSCO bereits verwirklicht haben. Dieser wird auf dem Testfeld für elektrifizierte und automatisierte Fahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr im Norden der bayerischen Landeshauptstadt im kommenden Jahr getestet. „Unser Ziel ist es, die neuen Fahrzeuge ab Mitte des Jahrzehnts im Regelbetrieb auf die Straße zu bringen.“
Das Projekt TEMPUS
Das Projekt TEMPUS „Testfeld München – Pilotversuch Urbaner automatisierter Straßenverkehr“ unter anderem mit den Projektpartnern KIT, SWM und EBUSCO startete Anfang 2021 und wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMDV) für die Laufzeit von zweieinhalb Jahren mit rund 12 Millionen Euro gefördert. Die Federführung liegt beim Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt München. Für die realitätsnahe Erprobung von automatisierten und vernetzten Fahrzeugen im realen Verkehrsgeschehen errichten und betreiben die Landeshauptstadt München und der Freistaat Bayern ein urbanes Testfeld für automatisierte und vernetzte Fahrzeuge im Norden von München.
www.kit.edu