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Mit der Nachhaltigkeitsstrategie „Ambition 2030“ unterstützt Procter & Gamble seine Marken dabei, nachhaltige und attraktive Produkte herzustellen. Neben Klima, Wasser und Naturschutz gehören auch Verpackungen und Abfall zu den vier Fokusbereichen der Strategie. Wir haben mit Gabriele Hässig, Geschäftsführerin Kommunikation und Nachhaltigkeit der Procter & Gamble Gruppe in der DACH-Region, über die Notwendigkeit und Wahrnehmung von Verpackungen, ein visionäres Zielbild der Kreislaufwirtschaft und positive Erwartungen, aber auch über Herausforderungen gesprochen.

Im Dialog mit Gabriele Hässig, Geschäftsführerin Kommunikation und Nachhaltigkeit der Procter & Gamble Gruppe in der DACH-Region
Frau Hässig, „Nachhaltigkeit“ ist inzwischen ein geflügelter Begriff. Wie definieren Sie ihn in Bezug auf nachhaltige Verpackungslösungen?

Für uns ist wichtig, dass Verpackungen ihre Funktion erfüllen und gleichzeitig von den Verbraucher:innen als nützlich und praktisch angesehen werden. Es geht uns darum, dass die Menschen die Lösungen, die unsere Marken bieten, optimal in Anspruch nehmen können. Dabei hat Nachhaltigkeit bei Verpackungen verschiedene Dimensionen. Eine davon ist die Recyclingfähigkeit, damit Materialien wie Kunststoffe möglichst lange im Kreis geführt werden können. Fakt ist: Wir haben nur begrenzte Ressourcen auf diesem Planeten und müssen daher sorgsam mit ihnen umgehen. Darüber hinaus geht es um die Materialeffizienz und darum, wie viel Material wir in Anspruch nehmen. Eine dritte Dimension betrifft die Wahl des idealen Verpackungsmaterials für den jeweiligen Verwendungszweck. Dabei gibt es kein pauschales „gut“ oder „schlecht“. Kunststoff ist nicht de facto schlecht und Papier ist nicht de facto gut. Das wäre in vielen Bereichen einfach zu kurz gedacht.
Wie entscheiden Sie, welche Verpackung und welches Verpackungsmaterial am besten ist?

Es kommt darauf an, die richtige Verpackung für den richtigen Nutzungszweck und die richtigen Zielgruppen zu entwickeln. Dabei stellt sich immer die Frage, welches Material sich am besten eignet. Bei den Ariel PODS haben wir beispielsweise durch die Umstellung auf eine Karton-Verpackung ein besseres, inklusiveres und sichereres Produkterlebnis geschaffen, das es mit der ‚alten‘ Polypropylen-Box zuvor so nicht geben konnte. Aber nicht immer ist Papier die beste Lösung. Wenn Kunststoff, beispielsweise ein leichter Monomaterialkunststoff, die beste Lösung darstellt, dann nutzen wir diesen. Zum Beispiel ermöglicht die neue Fairy-Variante in der Standup-Flasche aus 100 % rPET eine ganz einfache und minimalistische Dosierung, was im Sinne der Ökobilanz sehr sinnvoll ist. Über die letzten Jahre haben wir außerdem zum Beispiel die Folie unserer Always-Produkte deutlich dünner entwickelt, sodass wir weniger Material benötigen.

Es spielen also viele Aspekte eine Rolle. Wir versuchen, immer das große Ganze im Blick zu haben und beziehen auch Verbraucherfeedback aus unserer Marktforschung in die Verpackungsentwicklung mit ein. Am Ende ist für uns die Sinnhaftigkeit einer Verpackung und die ökologischste Variante mit der besten Ökobilanz entscheidend. Dabei arbeiten wir sehr wissenschaftlich und auf Basis einer konkreten Ökobilanz (Life Cycle Assessment, LCA) nach ISO 14040 bzw. ISO 14044.
Zeigt Ihre Marktforschung, dass Konsument:innen darauf vertrauen, dass Sie auch unter Nachhaltigkeitsaspekten die optimale Verpackungslösung wählen?

Es ist unsere Verantwortung als führender Markenhersteller, dass wir verantwortlich mit unserem Wissen umgehen. Die Menschen wollen sich oftmals in ihrem Alltag nicht damit beschäftigen und können das in dieser Komplexität auch gar nicht. Genau da liegt unsere Aufgabe: Herausragende Produkte zu bieten, schließt für uns ein, Komplexität für die Konsument:innen zu reduzieren, indem wir uns mit Fragen wie die der nachhaltigsten Verpackungslösung beschäftigen und dann den Menschen Lösungen anbieten, die entsprechend vernünftig und nachhaltig sind. Darauf können sich die Menschen verlassen. Wer eine unserer Qualitätsmarken kauft, kann darauf vertrauen, dass diese nach dem neuesten Stand der Wissenschaft entwickelt sowie verpackt sind und dass die Produkte sowie die Inhaltstoffe sicher sind.
Wie viel Aufklärung und Information gehört für Sie in der Verbraucherkommunikation in Bezug auf nachhaltige Verpackungslösungen dazu?

Im Rahmen der Marktforschung stehen wir sehr intensiv mit Konsument:innen im Austausch. Deshalb wissen wir, dass mehr Informationen auf Verpackungen oder Produkten, etwa zur Nach-Gebrauch-Phase, nicht unbedingt mehr helfen. Es kommt auf die richtige Dosierung und Priorisierung an: Stand heute drucken wir Symbole auf die Verpackung, die zum Beispiel Trennhinweise angeben. Dass eine Wasserflasche aus PET besteht, ist für Konsument:innen meist irrelevant. Relevant ist, dass es sich beispielsweise um eine Mehrwegflasche handelt. Zudem ist es wichtig, dass wir kommunizieren, wie Materialien entsorgt und getrennt werden. Denn das Vorsortieren für das Recycling bzw. die Wiederverwendung beginnt in den Haushalten.

Die Sortierung in den Haushalten ist also der Anfang einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft?

Ja, denn nur durch Sammeln und Sortieren aller Wertstoffe zuhause können wir Materialien überhaupt im Kreis führen. Die Aufklärungskampagne der Dualen Systeme, die seit Jahren läuft, ist wichtig. Aus deren Marktforschung wissen wir, dass die Kampagne einen großen Effekt auf die Sammlung hat. Je besser sortiert wird, desto mehr geeignetes Rezyklat lässt sich für verschiedene Anwendungen gewinnen – das ist unsere Zielsetzung, wenn wir die Lücken in der Verfügbarkeit von Rezyklaten schließen wollen.

Außerhalb der Haushalte liegt es dann unter anderem auch an uns als Herstellern: Gemeinsam mit mehr als 175 Unternehmen und Organisationen aus der gesamten Wertschöpfungskette haben wir im Projekt „Holy Grail 2.0“ digitale Wasserzeichen entwickelt, die auf die Oberfläche von Konsumgüterverpackungen gedruckt werden. Sie enthalten unter anderem Informationen zur Art und Zusammensetzung der verwendeten Kunststoffe. So können mehr Kunststoffe schneller sortiert und mit einer wesentlich höheren Wiederverwendungsqualität in den Kreislauf zurückgeführt werden. Dank der Initiative lernen wir viel darüber, wie bessere Sortierungen uns zu mehr und besser geeigneten Rezyklaten verhelfen.
Bis 2030 möchte Procter & Gamble den Einsatz von Neuplastik in Verpackungen weltweit um 50 Prozent reduzieren, bis 2025 in Europa um 30 Prozent. Wie realistisch ist es, diese Ziele zu erreichen?

Sehr realistisch, wir sind auf einem guten Weg. Der Report mit den aktuellsten Zahlen wird in Kürze veröffentlicht. Weltweit wollen wir bis 2030 300.000 Tonnen Virgin Plastic, also neuen Kunststoff, pro Jahr einsparen. Dies können wir über verschiedene Wege erreichen: Weniger Materialeinsatz bei gleichbleibender Stabilität wie bei Always Ultra, der Einsatz von PCR, wie bei der Verpackung von Fairy, aber auch das Umstellen auf andere Materialien, zum Beispiel faserbasierte Verpackungen wie bei der Always Cotton Protection Binde.
Bis 2030 sollen zudem 100 Prozent der weltweiten Produktverpackungen recycelbar oder wiederverwendbar sein. 2022 traf dies bereits auf 79 Prozent der eingesetzten Verpackungen zu. Wann im Entwicklungsprozess fällt die Entscheidung, ob eine Verpackung am Ende recycelbar oder wiederverwendbar ist?

Die Ziele, die wir uns gesetzt haben, sind weltweite Ziele. Je nach Region unterscheiden sich die Lösungsansätze. Für Europa ist unser Hauptziel die Recyclingfähigkeit, weshalb Design for Recycling schon zu Beginn des Entwicklungsprozesses eine ganz zentrale Rolle spielt. Trotzdem gibt es natürlich auch in Europa wiederverwendbare Refill-Container. Denn im Zuge der geplanten EU-Verpackungsverordnung (PPWR) wollen und können wir Wiederverwendbarkeit in Europa nicht ausschließen.

Vor dem Hintergrund der geplanten PPWR beschäftigen der Rezyklateinsatz und die Verfügbarkeit von geeigneten Rezyklaten die Branche sehr. Inwiefern ist das auch für Sie als Hersteller ein Thema?

Genau wie alle anderen Hersteller benötigen wir die richtigen Rezyklate für die richtigen Einsatzgebiete. Die geeigneten Qualitäten müssen in der richtigen Menge lieferbar und zum richtigen Preis verfügbar sein. Leider liegt weiterhin nicht genug geeignetes Rezyklat für den jeweiligen Einsatzzweck in der richtigen Menge zu einem wettbewerbsfähigen Preis vor. Dementsprechend ist die Recyclingfähigkeit des Verpackungsmaterials umso wichtiger, damit dieses wieder in den Kreislauf einfließen kann und die Rezyklatmenge steigt.

Viele Unternehmen nutzen heute Material, das für kontaktempfindliche Verpackungen wie Lebensmittelverpackungen zugelassen und nachweislich auch für viele weitere Einsatzzwecke geeignet ist. Denn Food-Grade-Material mit der European Food Safety Authority Zertifizierung (Efsa) ist der einzige Standard, den es gibt, weshalb viele Unternehmen dieses Material rechtssicher einsetzen. Mit der PPWR und den geplanten Rezyklateinsatzquoten wird es vermutlich dazu kommen, dass der Bedarf an food-grade Rezyklaten enorm steigt. In anderen Bereichen wird das Material also fehlen. Dementsprechend muss endlich definiert werden, welche Materialqualitäten für welche Anwendungen rechtssicher erlaubt sind.
Welche Möglichkeiten sehen Sie noch, mehr geeignete Rezyklate zu erhalten?

Wenn wir die Kreislaufwirtschaft vollständig verwirklichen und skalierbar machen wollen, brauchen wir jede Art von Recyclingtechnologien. Mechanisches Recycling ist immer die erste Wahl, schon aus Kostengründen. Aber bei bestimmten Anwendungen stößt mechanisches Recycling nun einmal an seine Grenzen. Wenn ein Kunststoffmaterial mehrmals im diesem Recyclingprozess war, lässt die Polymerqualität nach. Deshalb benötigen wir auch das chemische Recycling für bestimmte Anwendungen. Wir arbeiten beim Unternehmerforum Chemisches Recycling mit, um hier eine einheitliche und klare Position über die gesamte Wertschöpfungskette zu vertreten, die auch die Politik zur Kenntnis nimmt. Unter anderem haben wir formuliert, dass wir ein Massenbilanzierungsverfahren für das chemische Recycling benötigen, um dieses Recyclingverfahren voranzutreiben. Es ist wichtig, das so gewonnene Material perspektivisch mit anderen Materialien gleichzustellen. Denn das bedeutet Rechtssicherheit für Unternehmen und Rechtssicherheit ist Planungssicherheit.

Außerdem benötigen wir Recyclingverfahren, die uns erlauben, dass wir Kreislaufwirtschaft nicht nur bei Verpackung, sondern auch für Produkte verwirklichen können. Nehmen Sie beispielsweise Zahnbürsten: Da wir sie in den Mund nehmen, gelten hier bezüglich der eingesetzten Materialien dieselben strengen Kriterien wie für Lebensmittel. Wenn wir Rezyklat im Produkt sowie in der Verpackung einsetzen wollen und dies in der Verpackung sogar bald gesetzlich vorgeschrieben ist, wird das ohne chemisches Recycling nicht funktionieren. Denn auch für das Produkt selbst benötigen wir geeignete Hochleistungskunststoffe, die sich entsprechend formen lassen – und zwar in ausreichenden Mengen.
Zur Kreislaufwirtschaft gehören nicht nur Produkt-, sondern auch Transportverpackungen. Sie verursachen laut einer Studie des NABU und der GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung fast ein Drittel der Verpackungsabfälle. Welche Lösungen unterstützen Sie in diesem Bereich?

Transportverpackungen lassen sich deutlich einfacher optimieren als Konsumentenverpackungen, die für die Verbraucher:innen einen bestimmten Zweck erfüllen müssen. Transportverpackungen sollten ISO-modular sein, damit mehr Produkte auf einen LKW passen. So lässt sich die Anzahl der LKWs reduzieren. Es ist sehr sinnvoll, hier ein standardisiertes System sehr breit in der Industrie und im Handel auszurollen, das es dann beispielsweise erlaubt, Lager einheitlich umzubauen. Wir haben deshalb im Rahmen der GS1 gemeinsam an einem Standard gearbeitet, der ordentlich durch verschiedene Hersteller und Händler qualifiziert worden ist. Wir selbst haben die sogenannten SMART-Boxes seit über einem Jahr bei Gillette im Einsatz. Für solche Transformationsthemen braucht es Industrieplattformen, denn ein Hersteller alleine kommt hier nicht weiter. Wir müssen gemeinsam unsere Hausaufgaben machen und weiter in die Entwicklung gehen.
Die geplante PPWR ist schon mehrfach angeklungen. Inwiefern beeinflussen politische Maßnahmen und Regulierungen ganz allgemein den Weg hin zu einer effizienten Kreislaufwirtschaft und wie beurteilen Sie die jüngste Entwicklung?

Ordnungspolitik ist wichtig, um einen Rahmen und Standards vorzugeben. Dies schafft eine Rechtssicherheit, die die Industrie für Investitionen in allen Bereichen der Wertschöpfungskette bzw. des Wertschöpfungskreislaufs benötigt. Das sind nicht nur Investitionen bei uns Herstellern, sondern auch bei den Sortierern, den Recyclern und so weiter. Wie schon gesagt: Rechtssicherheit bedeutet immer auch wirtschaftliche Planungssicherheit. Wir reden also über einen zentralen Investitionstreiber, ohne den eine funktionierende Kreislaufwirtschaft nicht schnell genug implementiert wird. Das ist das positive an Regulierungen. Kritisch zu sehen ist, wenn Lösungen durch die Politik pauschal vorgeschrieben werden. Denn Innovationsoffenheit ist extrem wichtig. Wir können uns die Lösungen der Zukunft heute noch nicht vorstellen, deshalb haben wir Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Lösungen von heute einfach unreflektiert festzuschreiben, macht wenig Sinn. Ich bin überzeugt davon, dass wir zu einer Kreislaufwirtschaft kommen werden. Diese wird jedoch technologischen Fortschritt, Sprunginnovationen und Transformation in den verschiedenen Bereichen benötigen. Dafür wünsche ich mir von der Gesetzgebung Innovationsoffenheit ohne Scheuklappen.
Wir bedanken uns für das interessante Gespräch, Frau Hässig.

www.kunststoffverpackungen.de

 


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