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Im Dialog mit Klaus Wohnig, Vorstandsvorsitzender der APK, Mitglied des Vorstands im BDE und Mitglied des Fachvorstands Kunststoffrecycling des BVSE.

Innovationen und verschärfte Umweltgesetze treiben die Kreislaufwirtschaft voran – Müll wird quasi abgeschafft. Das ist das hehre Ziel. Und damit rücken Firmen mit klugen Recycling-Konzepten in den Fokus. Ein solches Unternehmen ist die APK AG in Merseburg, die mit Newcycling eine effiziente Recyclingtechnologie entwickelt hat, die mechanische und lösemittelbasierte Schritte kombiniert.

Wir haben mit dem Vorstandsvorsitzenden Klaus Wohnig darüber gesprochen, wie die Herausforderungen rund um den Plastikabfall gelöst werden können.
Plastikabfall ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Um dieses Problem zu lösen, arbeiten Sie am Wandel des Kunststoff-Recyclings und haben mit „Newcycling“ einen neuen Begriff geprägt. Was verstehen Sie darunter?

Newcycling kann eine wichtige Komponente in einem Recycling-System werden. Bisher führte das Kunststoff-Recycling – abgesehen vom PET-Flaschen-Recycling – zu Produkten minderer Qualität. Und die waren in der Regel eben nicht mehr für einen ähnlichen Einsatz geeignet wie das Ursprungsprodukt.

Mit Newcycling gewinnen wir aus Kunststoffverpackungsabfall neuwertige Kunststoffe zurück, die sich wieder in Verpackungen einsetzen lassen. So erzeugen wir aus komplexen Abfallströmen, wie beispielweise gemischten Kunststoffabfällen und Mehrschichtverpackungen, sortenreine Granulate mit Eigenschaften ähnlich neuer Kunststoffe.

Möglich macht dies unsere lösungsmittelbasierte – und damit Polymerketten-erhaltende – Recycling-Technologie. Wir reinigen die Ketten lediglich. Dadurch ist diese Technologie sehr ressourceneffizient. Im Vergleich zum chemischen Recycling bleibt der Kunststoff erhalten und muss nicht energie- und kostenintensiv neu polymerisiert werden.
Ist „Newcycling“ das neue Recycling? Werden noch andere Akteure auf diesen Zug aufspringen?

Davon gehe ich aus. Wir brauchen ein Umdenken und ein neues Leitmotiv. Bisher bestand die Abfallbehandlung vor allem aus Deponierung oder Verbrennung. Aber beides ist nicht nachhaltig. Künftig müssen wir nachhaltig wirtschaften und eine echte Kreislaufwirtschaft entwickeln.

Das Recycling von Kunststoffen ist nicht einfach. Denn Kunststoffe sind sehr vielfältig und auch vielfältig in ihrer Anwendung. Heute bekommen wir verschiedene Arten von Kunststoffabfall-Gemischen, deren Rezyklate letztendlich in ihrer Funktionalität nicht das gewünschte Ergebnis bringen. Für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft müssen wir in der gesamten Wertschöpfungskette an einem Strang ziehen und geeignete Technologien einsetzen.

Leider fehlt es aktuell häufig noch am Gestaltungswillen und den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die wirtschaftlich sinnvolle ganzheitliche Ansätze unterstützen. Ökologisch nachhaltiges Handeln muss endlich belohnt werden, auf nationaler und auf europäischer Ebene.
Wie lassen sich diese Herausforderungen lösen?

Manches auf sehr pragmatische Weise. Zunächst sollte die Sammlung und Sortierung von Kunststoff-Abfällen, insbesondere auch flexiblen Verpackungen und Gewerbeabfällen, erweitert und verbessert werden.

In Deutschland ist zwar vieles schon gut geregelt, aber in anderen EU-Staaten wird noch viel verbrannt oder deponiert, insbesondere werden flexible Verpackungen nicht überall fürs Recycling gesammelt. Und Gewerbeabfälle sind oft aus der Getrennt-Erfassung herausgenommen. Das führt dann dazu, dass sie nicht in eine sinnvolle Verwertung gelangen.

Hier ist deutlich nachzuarbeiten. Das muss auf europäischer Ebene geschehen und dann in die nationale Gesetzgebung einfließen. Damit steigt das Wertstoffaufkommen. Ein zweiter Schritt ist die Bonifizierung von CO2-Einsparung durch Recycling, damit die Vorteile von Recycling wirtschaftlich bei den Recyclern ankommen.

Das würde sicherlich zu steigenden Investitionen führen, um die dringend erforderlichen Recycling-Kapazitäten zu erhöhen. Solche Investitionen brauchen eine solide Planungsgrundlage, dann sind sie ein echter Hebel.
Welche Rolle spielen NGOs bei der Problemlösung?

NGOs sind heute nicht mehr wegzudenken und erfüllen eine ganz wichtige Funktion: Sie halten uns einen Spiegel vor: Leben wir wirklich nachhaltig? Dass Politiker diesen Auftrag per se schon haben, tritt manchmal in den Hintergrund. Vor allem, weil sie in diesem Bereich keine Fachleute sind. Hier sind Experten und Expertinnen aus den Industrien gefragt. Sie wissen, wie das grundsätzlich funktionieren kann. Die Stärke liegt für mich in der Zusammenarbeit. Wir haben uns bereits 2015 bei der Ellen McArthur Foundation und deren „New Plastics Economy“-Initiative beteiligt, um uns bei der Entwicklung innovativer Verfahren einzubringen.

Die Diskussion in der gesamten Wertschöpfungskette mit der Politik hat mittlerweile deutlich an Fahrt aufgenommen. Die EU-Maßnahmen, die entstehen, basieren auf den Ergebnissen, die damals angeschoben wurden.

Wir müssen jetzt dafür kämpfen, dass die Probleme auch angegangen werden – mit allen Beteiligten. Dazu ist es manchmal auch notwendig, die eigenen Glaubenssätze ein wenig hintenanzustellen. Wir leben in einer Marktwirtschaft und wenn wir ökologisch sinnvoll handeln möchten, dann muss die Politik dazu die Voraussetzungen schaffen, damit für alle die gleichen Bedingungen gelten.
Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung und der EU?

OekologieIch wünsche mir vor allem, dass die Bundesregierung eine Politik betreibt, die nach vorne gerichtet ist. Keine Verbotspolitik. Insbesondere das Umweltministerium ist in der Vergangenheit dadurch aufgefallen. Es hat beispielsweise die Plastiktüten verboten und dafür die ökologisch unsinnige Nutzung von Papiertüten forciert.

Die Bundesregierung muss Motor der Kunststoffe in Brüssel sein und nicht deren Bremse. Und Brüssel muss endlich die Ankündigungen, die unter dem Label des Green Deals veröffentlicht wurden, umsetzen. Es gibt eine Reihe guter Ideen und auch einen sehr fähigen Apparat.

Ich selbst habe bei der Circular Plastics Alliance im Auftrag der APK gezeichnet, und ich halte das 10-Millionen-Tonnen-Ziel für einen gigantischen Auftrag, den wir uns als gesamte europäische Wirtschaft gegeben haben.
Die Circular Plastics Alliance hat ein starkes Signal in Richtung Kreislaufwirtschaft gesetzt. Ist dieses Ziel erreichbar?

Mittlerweile ist deutlich Bewegung in die Sache gekommen. Aber dieses Ziel bis 2025 zu erreichen, ist sehr ambitioniert. Wir brauchen konkrete Schritte entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Schaut man sich die heutigen Recycling-Kapazitäten in Europa an, dann kann man davon ausgehen, dass das Ziel verfehlt wird. Ein Faktor ist die Zeitfalle. Denn um das Ziel bis 2025 zu erreichen, müssen wir die Kapazitäten deutlich ausbauen. Dafür braucht es konkrete Pläne und anschließend mindestens zwei bis drei Jahre, um sie umzusetzen. Aufgrund dieser Verzögerung wird alles, was bis Anfang 2023 nicht entschieden ist und begonnen hat, 2025 nicht zum Ziel beitragen. Der Anfang ist aber auf jeden Fall gemacht, damit wir gemeinsam die Plastikwende schaffen.
Um Umwelt- und Klimaschutz erfolgreich voranzubringen, sind auch die Verbraucher:innen gefordert. Kann unsere Gesellschaft ihren Lebensstil so wie bisher beibehalten oder muss sie umdenken?

APK Mitarbeiter Im Einsatz Fuer Kreislaufwirtschaft RecyclingBeim Klima- und Kunststoff-Problem ist die gesamte Weltgesellschaft gefordert, sich zu verändern. Als Industrieland haben wir eine wichtige Vorreiterrolle, weil wir uns viele Dinge wirtschaftlich erlauben können. Das ist ein wesentlicher Hebel, um zu sehen, was machbar ist.

Makroökonomisch müssen wir das große Ganze betrachten. Wenn wir wissen, dass wir bis 2050 wahrscheinlich zehn Milliarden Menschen auf der Erde sind, ist es logisch, dass wir mehr Kunststoff brauchen werden. Denn die Menschen wollen natürlich auch Wohlstand haben.

Um das Problem richtig anzugehen, müssen wir dafür sorgen, dass der Abfall richtig getrennt wird. Die Industrie hat verstanden, dass man Verpackungen recyclingfähig gestalten muss. Es gibt auch die Mittel, um Lösungen zu finden, damit der Kunststoff-Abfall ein Wertstoff bleibt und in den Kreislauf zurückgeführt wird.

Gleichzeitig müssen wir Lösungen finden, die wir in die Welt exportieren können, auch in die Länder, die sich das heute möglicherweise noch nicht leisten können.
Geht aktuell schon ein Ruck durch die Industrie, findet ein Umdenken statt?

Ich glaube schon. Wir begrüßen seit einiger Zeit mehrere namhafte Kunststoffhersteller und
-verarbeiter bei uns in Merseburg, um ihnen zu zeigen, wie wir uns Recycling vorstellen. Sie sehen, dass hier ein neuer Wirtschaftszweig entsteht und sind bereit, hier in Europa zu investieren.
Dennoch gibt es noch immer Vorbehalte. Wie lassen sich diese aus dem Weg schaffen?

Tatsächlich hängt vieles von den Firmen ab, die für die Umsetzung verantwortlich sind. In einem familiengeführten Unternehmen ist das sicherlich einfacher als in einem Konzern. Dass viele Unternehmen bereits ihre Produkte und ihre Maschinen umstellen sowie ihre Geschäftsmodelle neu ausrichten, zeigt, dass sie es ernst meinen.

Es gibt eine Vielzahl an Vordenkern und Vorreitern, aber auch eine Menge Organisationen, die noch mitgenommen werden müssen. Wir sollten uns aber vor allem eines vor Augen führen:

Wenn wir die Verbraucher und Verbraucherinnen für das Thema begeistern, dann werden sie auch bereit sein, den Preis dafür zu zahlen. In Deutschland gibt es „ein, zwei Hände voll“, die durch ihre Vorreiterrolle und ihren Einfluss ein großes Umdenken bewirken können. Wenn sie vorangehen, wird sich auch etwas ändern.
BDE-Präsident Peter Kurth hat angeregt, dass Kreislaufwirtschaft als Instrument in der Entwicklungshilfe genutzt werden kann.

APK AG Recycling Rezyklat KreislaufwirtschaftDas ist absolut unterstützenswert. Peter Kurth fordert nicht, dass wir unseren Abfall exportieren, sondern unsere Lösungen. Es müssen Anreize geschaffen werden, damit sich auch Entwicklungsländer mit Kreislaufwirtschaft beschäftigen. Die Produkthersteller sollten mehr in die Verantwortung genommen werden.

Es sind Systeme zu etablieren, die die Sammlung und Sortierung sicherstellen, damit Wertstoffe wieder dort landen können, wo sie sich zu neuen Produkten verarbeiten lassen.
Was sollte die Politik vorgeben und welchen Handlungsspielraum sollte die Industrie bei der Transformation zu einer mehr oder weniger vollkommenen Kreislaufwirtschaft haben?

Die Politik muss die Rahmenbedingungen vorgeben und dafür sorgen, dass Regeln eingehalten werden. Die Circular Plastics Alliance ist gutes Beispiel für eine Selbstverpflichtung, aber ein Stück weit Kontrolle ist schon wichtig. Wenn Vorgaben dazu führen, dass ein bestimmtes Handeln erreicht wird, sind sie auf jeden Fall sinnvoll.

Und es sollten wirtschaftliche Anreize geschaffen werden, die bei der Zielerreichung unterstützen. An gewissen Stellen gibt es einfach Regelungsbedarf, beispielweise wenn es um Qualitätsstandards geht oder um das Vermeiden von Betrug, damit ein faires Spielfeld existiert. Damit ist der Grundstein gelegt, dass wir alle gemeinsam zu einer Kreislaufwirtschaft kommen.
Herr Wohnig, vielen Dank für das Gespräch.

www.kunststoffverpackungen.de

 


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