Two Sides hat den deutschen Einzelhandelskonzern REWE im Bezug auf seine Aussagen über die Umweltauswirkungen von Druckerzeugnissen kontaktiert
Two Sides, die globale Organisation, die sich für die Förderung der Nachhaltigkeit von Druck, Papier und Papierverpackungen einsetzt, hat sich schriftlich an REWE gewandt, nachdem der deutsche Einzelhandelskonzern seine Entscheidung veröffentlicht hat, die Produktion seiner wöchentlichen Werbeflyer aus Papier ab dem 1. Juli 2023 einzustellen. In einer Pressemitteilung, die im Juli 2022 veröffentlicht wurde, erklärte REWE, dass:
„Dies einen enormen Einfluss auf die Umwelt, das Klima und die nachhaltige Nutzung von Ressourcen haben und mehr als 73.000 Tonnen Papier, 70.000 Tonnen CO2, 1,1 Millionen Tonnen Wasser und 380 Millionen kWh Energie pro Jahr einsparen wird."
Two Sides ist der Ansicht, dass diese Behauptungen potenziell irreführend sind, was ihre tatsächlichen Auswirkungen und die herangezogenen Statistiken betrifft. In dem Schreiben an REWE wird unter anderem darauf hingewiesen, dass in der Pressemitteilung des Handelsunternehmens nicht erwähnt wird, dass digitale Medien ebenfalls messbare, nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Two Sides hat Rewe darum gebeten, die getroffenen Aussagen umfänglich zu belegen und die Hintergründe für die Fakten, die kommuniziert werden, offenzulegen.
Unter Berücksichtigung geltender Werbe-Kodizes müssen sämtliche Werbe-Aussagen belegbar sein und der Wahrheit entsprechen, damit Verbraucher nicht etwa getäuscht oder irregeführt werden.
In einem Fall wie bei REWE bieten nur detaillierte und spezifische Lebenszyklusanalysen der Auswirkungen von digitaler Kommunikation im Vergleich zu Papier die Basis, für derlei Claims.
Es ist ein Irrglauben, dass ein digitales Äquivalent zur Papierkommunikation keine Umweltauswirkungen hat. Der Impact von Endgeräten wie PCs, Smartphones, Tablets oder anderen Geräten, die Informationen empfangen und versenden, sowie die für die Bereitstellung dieser Informationen erforderliche Infrastruktur (Server und Rechenzentren) können jedoch nicht einfach ignoriert werden.
Darüber hinaus ist es durchaus denkbar, dass Verbraucher, die nun zur Nutzung digitaler REWE-Kommunikation gebracht werden, versuchen, die Informationen (z.B. Coupons) auszudrucken. Dabei kann das einen weitaus größeren Umwelteinfluss haben, wenn dies auf dem verbraucher-eigenen Drucker geschieht. Aus eben diesen genannten Gründen muss jede Erläuterung zu den Hintergründen für die Abschaffung von Druck und Papier aufgrund von Umweltauswirkungen, ebenso eine Bewertung des Umwelt-Impacts der digitalen Alternativen und des Nettonutzens enthalten. Allzu oft werden die Umweltauswirkungen einfach verdrängt, ganz zu schweigen von den Kosten und Unannehmlichkeiten, die auf die Kunden abgewälzt werden.
Es gilt zudem zu wissen: Der Energieverbrauch digitaler Technologien steigt jährlich um 9 % und der Anteil digitaler Technologien an den globalen Treibhausgasemissionen (THG) hat sich zwischen 2013 und 2019 um die Hälfte erhöht, von 2,5 % auf 3,7 % der globalen Emissionen1. Bleibt die Entwicklung ungebremst, könnte der IKT-Fußabdruck bis 2040 auf 14 % der globalen Emissionen ansteigen2. Im Vergleich dazu gehören Papier- und Druckerzeugnisse mit 0,8 % zu den kleineren Treibhausgasemittenten3.
Two Sides widerlegt auch die Behauptung, dass bei der Herstellung der Flyer „1,1 Millionen Tonnen Wasser" verbraucht werden.
Bei der Herstellung wird zwar Prozesswasser verwendet, aber dieses Wasser verschwindet nicht. In Europa werden 87,3 % des Wassers aus Oberflächengewässern wie Flüssen und Seen entnommen, und es ist wichtig zu wissen, dass Entnahme nicht gleich Verbrauch ist. Rund 90 % des in der europäischen Papierindustrie verwendeten Wassers wird nach der Aufbereitung wieder in die Quelle zurückgeführt4.
Wenn Marken über ihre Marketingstrategie entscheiden, sollten sie nicht nur die Wirksamkeit und die Kosten berücksichtigen, sondern auch die Art und Weise, wie ihre Kunden (Verbraucher) Informationen lesen und erhalten wollen. Eine kürzlich von der WELT durchgeführte Umfrage und Interviews mit anderen Einzelhändlern, insbesondere Aldi Süd, Edeka und Lidl, zeigten deutlich, dass die Verbraucher Mitteilungen in Papierform erhalten möchten5. Es ist auch wichtig, daran zu denken, dass nicht alle Menschen in unserer Gemeinschaft Zugang zu digitaler Kommunikation haben oder mit ihr interagieren können, entweder weil sie keine digitalen Geräte besitzen oder weil sie persönlich beeinträchtigt sind. Dies sind oft die schwächsten und bedürftigsten Mitglieder der Gesellschaft.
Vielen Verbrauchern ist zudem bewusst, dass Unternehmen, die ihre Umstellung weg von Print hin zu einer digitalen Kommunikation mit Umweltvorteilen begründen, eigentlich nur Kosten einsparen möchten.
Eine 2023 von Two Sides durchgeführte Umfrage unter mehr als 10.000 Verbrauchern, die von der unabhängigen Forschungsorganisation Toluna durchgeführt wurde, zeigt jedoch, wie sehr die Verbraucher Printmedien, einigen Behauptungen zum Trotz, schätzen:
75 % der deutschen Verbraucher sind der Meinung, dass sie das Recht haben sollten, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Mitteilungen erhalten, ob digital oder gedruckt (im Vergleich: europaweit 76 %).
57 % der deutschen Verbraucher glauben, dass ein Dienstleister, der von Papier auf Digital umstellen will und behauptet, dies sei besser für die Umwelt, in Wirklichkeit nur Kosten sparen möchte. (im Vergleich: europaweit 55%)
Two Sides hat REWE aus diesen Gründen aufgefordert, faktenbasierte Informationen zur Verfügung zu stellen, einschließlich einer detaillierten und spezifischen Lebenszyklusanalyse der Auswirkungen der digitalen Kommunikation im Vergleich zu den Papierprospekten. Sollte REWE nicht in der Lage sein, die Umweltbehauptungen zu untermauern, fordert Two Sides das Unternehmen auf, von weiteren Behauptungen dieser Art abzusehen.
Jonathan Tame, Geschäftsführer von Two Sides, sagt: „Das Vorgehen von REWE und die herangezogenen Umwelt-Aspekte sind wirklich enttäuschend. Wir akzeptieren, dass Unternehmen versuchen, Geld zu sparen, aber diese Aussagen können von Verbrauchern missverstanden werden und sind zudem auch äußerst schädlich für eine Branche, in der mehr als 640.000 Menschen in 7.400 Unternehmen in ganz Europa beschäftigt sind.
www.twosides.info