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Der Bau von Brücken und Straßen ist in Deutschland für ca. 17 % der CO2-Emissionen des Bausektors verantwortlich. Aktuell werden beim Variantenvergleich von Brückenbauwerken die CO2-Emissionen nicht in der Entscheidungsfindung miteinbezogen.

Das Hauptentscheidungskriterium ist der Herstellungspreis. Verkehrsbeeinträchtigungen und daraus resultierende Staus sowie Lebenszykluskosten werden – wenn überhaupt – durch qualitative Abschätzungen berücksichtigt. Eine händische Analyse der Lebenszykluskosten, globalen Umweltauswirkungen und volkswirtschaftlichen Kosten über den gesamten Lebenszyklus für jede Planungsvariante ist mit einem sehr großen Aufwand verbunden und erfordert ein hohes Maß an Know-how.

Zielsetzung

Ziel des Forschungsprojekt ist es, eine Möglichkeit für die integrale Berechnung der ökonomischen, ökologischen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Brückenbaumaßnahme im Planungsprozess bereitzustellen. Vor allem bei hoch frequentierten Trassen übersteigen die volkswirtschaftlichen Kosten, die größtenteils auf Zeitverluste der Verkehrsteilnehmer zurückzuführen sind, die direkten bauwerksbezogenen Kosten deutlich. Eine „händische“ ganzheitliche Analyse wird aufgrund des hohen Aufwands derzeit nur in ganz wenigen Pilotprojekten durchgeführt.

Vor allem Nachhaltigkeitsindikatoren wie die Lebenszykluskostenrechnung und Ökobilanzierung lassen sich sehr gut computergestützt berechnen und mit bestehenden BIM-gestützten Planungsprozessen verknüpfen. Planende erhalten damit die Möglichkeit, Varianten frühzeitigt ganzheitlich zu vergleichen und die Vorzugsvariante planungsbegleitend zu optimieren, so dass in Zukunft nicht die in der Herstellung günstigste, sondern die standortspezifisch sinnvollste Brückenvariante realisiert wird. Die Ankopplung an BIM-Modelle und die softwaregestützte Verknüpfung mit weiteren Eingangsdaten sollen den Berechnungsprozess so weit automatisieren, dass zukünftig eine ganzheitliche Analyse bei allen Neu- und Bestandsbauprojekten standardmäßig durchgeführt wird.

Implementierte Lösung

Die im Rahmen des Forschungsprojekt verwendeten Eingangsdaten stammen aus unterschiedlicher Datenquellen, die über einen Linked-Data-Ansatz miteinander und mit Bauwerksmodellen verknüpft werden. Alle Elemente von IntegBridge sind in Abbildung 1 visualisiert, wobei die unterschiedlichen Eingangsdaten blau, die verwendeten Berechnungsmethoden grün und die BIM-spezifischen Aspekte orange gekennzeichnet sind.

Ökobilanzdatensätze der ökobau.dat, Kostenansätze abgerechneter Bauprojekte und empirische Nutzungsdauern der Datenbank SIB-Bauwerke werden zur Vorbilanzierung von Bauelementen zusammengeführt. Die Daten werden in einem hierarchisch aufgebauten Elementkatalog strukturiert abgespeichert, auf dessen Inhalte ein Zugriff über eine eindeutige Identifikationsnummer möglich ist.

Für den im Forschungsprojekt IntegBridge entwickelten Workflow wird das BIM-Model in der Autorensoftware mit vorbilanzierten Elementen des Elementkatalogs verknüpft. Dieser Workflow ist in Abbildung 2 visualisiert. Diese Elemente enthalten statistische Werte für Kosten, ökobilanzielle Auswirkungen und Bauzeiten. Zur Abbildung des gesamten Lebenszyklus eines Brückenbauwerks, werden im Elementkatalog zusätzliche Folgeelemente definiert, welche Wartungs-, Instandsetzungs-, und Austauschmaßnahmen der Brückenkomponenten abbilden.

Nach der Verknüpfung werden die BIM-Modelle als IFC-Dateien exportiert und in den Softwareprototypen IntegBridge importiert. Hier sind zusätzliche Angaben über die projektspezifische Verkehrssituation und die gewählte Instandhaltungsstrategie über den gesamten Lebenszyklus erforderlich, da diese Informationen nicht aus dem BIM-Model bezogen werden können. Alle im Softwareprototypen IntegBridge enthaltenen Module sind Abbildung 3 beschrieben.

Abschließend können die Lebenszykluskosten, volkswirtschaftlichen Kosten und ökobilanziellen Auswirkungen einer Brückenvariante teilautomatisiert berechnet werden (siehe Abbildung 4). So können verschiedene Brückenvarianten frühzeitig miteinander verglichen werden und die Vorzugsvariante kann durch eine planungsbegleitende Analyse stetig optimiert werden. Gleichzeitig dienen die im Detail gespeicherten Bauelemente mit dazugehörigen Materialien und theoretischen Lebensdauern als Bauwerksdokumentation, die im Rahmen des Lebenszyklusmanagements Verwendung finden.

Die entwickelten Ansätze können für Hochbauten im Bereich der Lebenszykluskostenrechnung und Ökobilanzierung äquivalent verwendet werden, es müssen dazu allerdings passende, bautypenspezifische Bauelemente bereitgestellt werden.

Die in dem Forschungsprojekt IntegBridge generierten Ergebnissen entfalten einen Nutzen für verschiedene Stakeholder. Bauherren und Bauherrinnen erhalten für den Variantenvergleich eine quantifizierte Entscheidungsunterstützung. Somit können höhere Herstellungskosten den sich verändernden Lebenszykluskosten gegenübergestellt werden, geringe Emissionen und volkswirtschaftliche Kostenreduzierungen tragen zur ganzheitlichen Entscheidungsfindung bei. Subjektive Einschätzungen von instandhaltungsfreundlichen Konstruktionen können durch eine methodisch fundierte Analyse mit Ergebnissen darstellbar auf Kardinalskalen ersetzt werden. Es wird eine Datenbasis für eine Berechnung in einer frühen Planungsphase bereitgestellt. Gleichzeitig können die verwendeten Lebenszyklusinformationen und Instandhaltungskostenansätze verwendet werden, um Budgets zur Instandhaltung mit geringeren Unsicherheiten zu planen. Langfristig ist ein Rückfluss von in der Betriebsphase gewonnen Informationen in die Planungsphase wünschenswert, so dass ein Datenkreislauf entsteht, der die Datenqualität in frühen Planungsphasen verbessert.

Werden volkswirtschaftliche Kosten im Zuge des Variantenvergleichs berücksichtigt, ergibt sich für Verkehrsteilnehmer*innen der Vorteil, dass Varianten mit geringen Verkehrsbeeinträchtigungen bevorzugt realisiert werden. Hierdurch können Zeitverluste durch Baustellen reduziert werden. Durch die Integration von Ökobilanz-Ergebnissen und die damit einhergehende Reduzierung der Umweltauswirkungen wird ein gesamtwirtschaftlicher Vorteil generiert.
Auszeichnung

Das Forschungsprojekt IntegBridge ist mit dem Green BIM Award 2022 ausgezeichnet worden. Hervorgehoben wurde in der Laudatio von Thomas Kirmayer insbesondere die Anwendbarkeit der erarbeiteten Lösung für verschiedene Planungsphasen, die Abbildung des gesamten Lebenszyklus in den Berechnungen und die Integration von bauwerksbezogenen und externen Effekten.


www.kit.edu

 


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