Forschungsteam untersucht einzigartige Fasern und Evolution der Tiere

Zebra- und Quaggamuscheln, die zu den Dreikantmuscheln gehören, sind in Westeuropa und Nordamerika weit verbreitet. Die invasiven Süßwasserarten sind eine Gefahr für die Ökosysteme, denn sie konkurrieren mit heimischen Arten um knappe Ressourcen. Auch ihr Hang zum Biofouling macht die Muscheln lästig: Mit Fäden aus einem Sekret namens Byssus haften sie sich unter Wasser hartnäckig an Oberflächen und blockieren so zum Beispiel Einlässe von Wasseraufbereitungsanlagen und Kraftwerken. Prägend für die Evolution der zu den schädlichsten Arten zählenden Muscheln war ein seltenes genetisches Ereignis vor über zwölf Millionen Jahren. Das haben Forschende unter der Leitung der McGill University (Kanada) und der Universität Göttingen herausgefunden. Ihre Studie zeigt auch, wie die seidenähnlichen Fasern der Muscheln die Produktion nachhaltiger Materialien bereichern können. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift PNAS erschienen.

Für ihre Studie sammelten die Forschenden Material von Zebra- und Quaggamuscheln in Deutschland und Kanada. An der McGill University bestimmten sie mit verschiedenen Techniken die Eigenschaften des Byssusfadens, um zu verstehen, wie das biologische Material das widerstandsfähige Festhalten der Muscheln an nahezu jeder Oberfläche ermöglicht. Die Forschenden der Universität Göttingen identifizierten und sequenzierten ein Gen, das ein Protein des Byssusfadens kodiert. Das Protein stellt die seidenen Fasern her, die für den Byssusfaden typisch sind. Sie modellierten die Struktur und klärten mit Analysen die Evolution des Proteins auf. Prof. Dr. Daniel J. Jackson aus der Abteilung Geobiologie der Universität Göttingen war an den Untersuchungen beteiligt. Er beobachtete Dreikantmuscheln in der Northeimer Seenplatte und sagt: „Es war schockierend zu sehen, wie zahlreich Zebra- und Quaggamuscheln dort vorkommen. Das zeigt, wie invasiv sie sind und wie sie Lebensräume vollständig dominieren.“

Dass die Dreikantmuscheln so widerstandsfähig und erfolgreich sind, führten die Forschenden erstmals auf ein bisher nicht dokumentiertes evolutionäres Ereignis zurück. Jackson erklärt: „Es ist wahrscheinlich, dass vor mehr als zwölf Millionen Jahren ein einzelnes Bakterium fremdes genetisches Material in eine einzige Muschel einschleuste und ihren Nachkommen dadurch die Fähigkeit verlieh, die Fasern herzustellen. Dieser horizontale Gentransfer hat, angesichts der entscheidenden Rolle der Fasern beim Anhaften der Muscheln, deren globale Ausbreitung maßgeblich vorangetrieben.“ Die neuen Erkenntnisse steigern das Verständnis der invasiven Dreikantmuscheln mit ihren Mechanismen des Biofoulings und können Lösungsansätze zur Bewältigung der ökologischen und wirtschaftlichen Schäden bieten.

Die Forschungsarbeit kann darüber hinaus die Entwicklung nachhaltiger Materialien inspirieren. Die Forschenden fanden heraus, dass die Bausteine der Fasern riesige Coiled-Coil-Proteine sind – die größten, die je gefunden wurden. Diese Proteine, die strukturell denen im menschlichen Haar ähneln, verwandeln sich in seidenähnliche Beta-Kristalle, wenn die Muschel die Faser während ihrer Bildung streckt. Diese Methode der Faserbildung kann die biotechnologische Produktion nachhaltiger Fasern erleichtern, denn sie ist deutlich einfacher als die Herstellung von Spinnenseide, auf die sich diese Branche bisher stützt. Prof. Dr. Matthew Harrington von der McGill University erklärt: „Die Fasern der Dreikantmuscheln, die strukturell der Spinnenseide ähneln, können die Entwicklung robuster Polymerfasern inspirieren und zu haltbaren Materialien für Textilien und technische Kunststoffe beitragen.“
www.uni-goettingen.de

 


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